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Rennsteig-Marathon 2004

 

15.5.2004 Gutsmuths-Rennsteiglauf 43,1 Km und 667 Höhenmeter

von Neuhaus nach Schmiedefeld

Vorher

Das die Vorraussetzungen für diesen Lauf nicht optimal waren, konntet Ihr ja bereits nachlesen. Gemeinsam mit meiner Frau bin ich am Vorabend angereist und wir haben uns in einem Hotel in Neuhaus, d.h.: am Startort, einquartiert. Da der Veranstalter die Startunterlagen bis 21:00 Uhr bereit hält, hielt sich unser Stress in Grenzen. Nachdem ist die Startnummer 3309 entgegen genommen hatte, widmeten wir uns dem Streckenverlauf. Meine Frau, so war es vorgesehen, sollte 3x an der Strecke stehen. Da wir noch etwas Zeit hatten, fuhren wir auch zum ersten Treffpunkt um uns etwas mit der Gegend vertraut zu machen. Die Anfahrt über die kurvigen und teilweise sehr steilen Straßen gaben einen kleinen Vorgeschmack auf die Strecke morgen. Im Hotel genossen wir noch ein gutes Essen und wir gingen früh in’s Bett. Zum Glück war ich ziemlich müde und nicht so nervös wie bei den beiden letzten Starts. Dadurch hatte ich einen guten und erholsamen Schlaf. Um 6:10 Uhr standen wir auf und ich machte die medizinische Vorbereitung: Brustwarzen und rechten, kleinen Zeh abkleben, Füße mit Vaseline einschmieren, etc. Um 6:45 ging’s zum Frühstück und ich schaffte, trotz zunehmender Nervosität, 4 Scheiben Toastbrot mit Honig. Kurz vor dem StartDann aber ging nix mehr. Um 7:30 Uhr waren wir zurück im Zimmer und ich mixte mir meine Getränke für unterwegs. Für die Laufgürtel und Trinkflaschen wählte ich die bewährte Kombination aus Ultra Buffer und MAXIM, allerdings nur mit halber Konzentration. Meine Frau sollte mir bei Km 8, Km 18 und Km 28 etwas reichen. Wir fuhren gegen 8:35 Uhr von Hotel los und meine Frau setzte mich etwa 1 km vom Start entfernt ab. Nach einem Foto und einem Abschiedskuss (hmmm) trennten wir uns. Das Wetter war phantastisch. Seit Tagen war es kühl und regnerisch, aber heute kam wirklich die Sonne raus. Am Start, auf dem Fußballplatz, herrschte eine fröhliche und ausgelassene Stimmung. Von sportlichem Ehrgeiz war hier wenig zu spüren. Die Leute waren wirklich sehr locker drauf. Das wirkte regelrecht ansteckend. Leider verstand man die Lautsprecherdurchsagen und die Musikdarbietungen schlecht, da ständig ein Hubschrauber über dem Startgelände kreiste. Der “Schneewalzer” kurz vor dem Startschuss ist schon eine witzige Angelegenheit, passte aber völlig zu der Stimmung, die unter den Läufern herrschte. Für mich als Neuling war deutlich zu spüren, daß es sich hier um einen Lauf mit langer Tradition, eigenen Regeln und positiver Ausstrahlung handelt. Ich fand das toll und es half auch meine Nervosität zu dämpfen. Ich stellte mich mitten in’s letzte Viertel der Starter. Bei dieser Strecke bereits am Start um Zentimeter zu ringen wäre ziemlich dumm. Wir wissen ja alle, wo der Marathon entschieden wird...

Der Lauf

Mit dem Startschuss wurde ich ruhig. Es dauerte sicherlich gut 3 Minuten bis ich über die Startlinie kam. Natürlich ging es in einem langsamen Trab vorwärts und auch die üblichen Stockungen blieben nicht aus. Dann kam gleich der Anstieg zur B271 hoch und der gab einen kleinen Vorgeschmack auf die vielen Steigungen auf den nächsten Kilometern. Ich war erstaunlich locker und lief ganz ruhig. Von Anfang an war mir klar, daß ich mir keinen Moment der Selbstüberschätzung erlauben durfte. Dort wo es ging, wollte ich zwischen 5:45 und 6:00 Min/Km laufen. Wo das nicht möglich war, würde ich eben entsprechend langsamer sein. Da die ersten Km auf der Landstrasse verliefen, entzerrte sich das Feld recht schnell, so dass man gut und frei laufen konnte. Nach rund 4 Km überholte mich ein Läufer, der einen Dobermann als Partner dabei hatte (“wir machen den Weg frei”). Kurz bevor es in den Wald ging, musste ich meine erste Pinkelpause einlegen. Die Markierung für Km 5 entdeckte ich zufällig und drückte die Uhr bei einer Zeit von 30:27 Min. Passt! Danach machte ich mich schon über die erste Tube Gel her, die ich mit dem Inhalt einer “Handgranate” runter spülte.

Nach dem Wechsel auf den Waldweg wurde es doch wieder etwas eng. Der Boden war nass und sehr rutschig. Weg mit dem GelNatürlich war die Strecke jetzt etwas welliger als auf der Bundesstrasse und da jeder eben seinen Laufstil hat, kam es immer wieder zu Störungen und Stockungen auf dem engen Weg. An der verabredeten Stelle stand meine Frau. Ich sah sie schon von weitem und leerte die Geltube aus, da meine Frau mir eine Getränkeflasche zum nachtrinken reichen würde. Die Übergabe klappte und ich versicherte meiner Frau, daß es mir hervorragend geht. Eine der Eigenheiten des Laufes ist, daß sich die Verpflegungsstellen fast alle auf Bergkuppen befinden. So auch die erste von insgesamt 6 Stationen. Aus dem Gedächtnis heraus sollte sie sich bei Km 10,6 befinden. Jedoch konnte ich vorher die Markierung für 10 Km nirgens entdecken. Erst als die Verpflegungsstelle in Sicht war, kam das 10 Km-Schild. Etwa 100 Meter dahinter gab’s die Info, daß wir tatsächlich aber schon 10,6 Km gelaufen sind. Naja. Ich stoppte auf jeden Fall die Uhr bei 1:04:34. Das lag, trotz rund 100 Höhenmetern, genau im Soll. Prima! Ich verzichtete auf die angebotenen Getränke und griff lediglich bei einem Stück Banane zu. Leider war an diesem, wie auch an allen anderen Verpflegungspunkten das selbe Ärgernis: Die Läufer standen/gingen mitten auf dem Weg oder kreuzten den Weg ohne auf andere Läufer zu achten. Das war rücksichtslos und es gab folgerichtig auch diverse Zusammenstösse. Die Organisation der Stationen war allerdings tadellos. Es gab von Allem reichlich und die Beschilderung war gut. Nun ging es auf einer Landstrasse leicht bergab und man konnte es “laufen” lassen. Natürlich verführt so etwas zum leichten Beschleunigung. Ich hielt mich jedoch zurück. Schließlich wußte ich, daß das härteste Stück der Strecke so zwischen Km 25 und Km 35 liegt. Beim Bergablaufen bemühte ich mich, möglichst “sanft” aufzutreten und nicht zu sehr in den Schuhen nach vorne zu rutschen. Beim Km 15 stoppte ich ideale 1:29:45 und ich fühlte mich körperlich und mental sehr gut. Es fielen mir bis hier hin zwei Dinge auf: 1. nach dem ersten Verpflegungspunkt wurden die Gespräche unter den Läufern weniger und 2. mussten bereits früh die Ersten gehen oder mit Wadenkrämpfen am Rand stehen bleiben. Das hat mich schon etwas überrascht. Kurz vor der nächsten Verpflegungsstelle sollte meine Frau stehen. Allerdings war sie nicht da. Das störte mich nicht sehr, da wir vereinbart hatten, daß sie dann einfach bei der nächsten Gelegenheit auf mich warten sollte. Ich nahm wieder eine Banane und trank einen Tee. Hier ging ich zum ersten Mal auch einige Schritte. Weniger wegen der Strecke, sondern weil ich im Laufen nicht trinken kann und mich regelmäßig verschlucke. Bereits einige Minuten später prangte das Schild “20 Km” und beine Polar S 210 zeigte mir 1:59:19 an. Hervorragend!

Nun kam eine ganz heftige Stelle. Fast prallte ich auf ein “Stauende”. Es ging steil einen Hohlweg hinunter, der nur einen Gänsemarsch zuließ. So ging es wirklich einige hundert Meter im Schritttempo über Wurzeln und Steine. An Laufen war hier nicht zu denken. Ich nutzte die Zeit, um mich bei einem 14-fachen Teilnehmer über die weiteren Streckenverhältnisse zu erkundigen. Da die nächste Verpflegungsstelle schon bald danach kam und ich meine Frau nicht gesichtet hatte, schlug ich wieder bei den Bananen und dem Wasser zu. Kaum hatte ich die Banane unten, winkte mir meine Frau auch schon zu. Ich blieb kurz bei ihr stehen, legte meinen Laufgürtel ab, zog einen “vollgetankten” Laufgürtel an, nahm die Flasche mit der angeklebten Banane und lief weiter. Meine Frau fragte mich noch, wie lange ich etwas bis zum nächsten Treffpunkt benötigen würde und ich antwortete: “etwa 1 Stunde”. Da ich gerade erst gegessen und getrunken hatte, rührte ich die Verpflegung zunächst nicht an. Jetzt begann der, aus meiner Sicht, härteste Teil der ganzen Strecke. Nachdem wir bisher eher langgezogene Auf- und Abstiege hatten, wechselte die Strecke nun häufiger das Profil. Kurz vor Km 25, an einer längeren Steigung, bekam ich plötzlich Herzrythmusstörungen. Der Pulsmesser zeigte Werte zwischen 210 und 230 an. Das beunruhigte mich zwar, jedoch fühlte ich mich nicht wirklich schlecht. Ich hatte den Eindruck, daß sich das Ganze bald wieder normalisieren würde. Die Markierung “Km 25” passierte ich mit Puls 223 und einer Zeit von 2:32:14. Hier machte sich das anspruchsvollere Profil langsam bemerkbar. Erst nach insgesamt rund 15 Minuten und einer Pinkelpause fing sich mein Herz wieder und der Puls pendelte sich bei etwa 158 Schlägen ein. Diese Hf versuchte ich sowieso, außer an Steigungen, einzuhalten, damit ich nicht ständig im anaeroben Bereich laufe.

Während der letzten Kilometer stellte ich fest, daß natürlich meine Muskel und Füße zu schmerzen begannen. Allerdings nahm ich das nicht so richtig wahr. Erstaunlicherweise blendete ich diese Beschwerden völlig automatisch aus. Ich begann darüber zu grübeln, weil ich das sehr bemerkenswert fand. Damit hielt ich mich jedoch nicht lange auf, aus Angst, ich könnte die Schmerzen deshalb richtig spüren. Ich bekam so etwas wie einen “Tunnelblick”. Zwar nahm ich alles um mich herum wahr, jedoch beschäftigte ich mich fast nur noch mit dem Weg, über den mich meine Füße trugen. Andere Gedanken stiegen nicht mehr in mein Bewußtsein auf. Das fand ich phänomenal und dieser Zustand verlieh mir eine unglaubliche mentale Stärke. Meine Konzentration beschränkte sich auf den Läufer unmittelbar vor mir und auf den Untergrund. Schon seit einigen Kilometern wurde ich, egal auf bergauf oder bergab, praktisch nicht mehr überholt. Andererseits sammelte ich Läufer um Läufer ein. Bis hierher dürften es bereits einige Hundert gewesen sein. Km 30 (3:05:34) lag übrigens auf einer Wiese, auf der ein ziemlicher Wind blies. Zuvor hatten wir Neustadt nach einem knackigen Anstieg durchquert. Da auch hier meine Frau nicht anzutreffen war, richtete ich mich darauf ein, sie bis in’s Ziel nicht mehr zu sehen. Das störte mich nicht weiter, da die Verpflegungsstellen jetzt etwa alle 5 Km kamen und ich ja noch einen gefüllten Laufgürtel um hatte. Die verbleibende Distanz stellte ich mir nun wie eine Runde beim Forstenrieder Volkslauf vor. Das half ganz gut. Nun kamen einige, zwar kurze, aber knackige Anstiege. Hier nahm ich mir Gehpausen. Allerdings war mein Schritt so flott, daß ich trotzdem ständig am überholen war. Außerdem fieberte ich schon dem Km 35 entgegen.

An der Getränkestelle “Gr. Dreiherrenstein” ließ ich mir etwas Zeit und ging etwa 300 Meter um Tee und Banane zu verspeisen. Die Strecke wurde jetzt ziemlich ätzend. Zumeist ging es über groben Schotter rund 80 Höhenmeter bergab. Das tat richtig weh.Ziel erreicht !!! Wobei ich das nicht so richtig spürte (s.o.). Für diese 5 Km bis Km 35 benötigte ich 34:18 Min. und das war damit mein langsamster Streckenabschnitt. Aber damit hatte ich auch gerechnet, sodaß dies meiner Motivation keinen Abbruch tat. Somit standen bereits 3:39:52 Stunden auf der Uhr und es lagen noch 8,1 Km vor mir. Es kam ein längerer Anstieg (über Schotter), den ich, im Gegensatz zu allen Anderen, laufend bewältigte. Ich fühlte mich riesig! Bergab ging es auf die letzte Verpflegungsstelle zu. Hier griffen tatsächlich einige Läufer beim “Köstritzer Schwarzbier” zu. Ok. Ich lief einfach (im Zickzack) durch, da ich noch etwas in meinen Handgranaten hatte. Nun hatte ich nur noch rund 5,5 Km vor mir und ich war so richtig in einem “High”. Die anderen Läufer ließ ich im 10-er Pack stehen. Am letzten Anstieg vor Schmiedefeld hatte ich dann auch den Dobermann eingeholt. Er war erkennbar frischer als sein Herrchen, der sich vom Hund halb den Berg hochziehen ließ. Und schon hatte ich Km 40 passiert! Schlappe 30:01 Minuten für die letzten 5 Km und eine Gesamtzeit von 4:09:53 Std. So lange bin ich noch nie in meinem Leben gelaufen. Ich flog dem Ziel entgegen. Trotz der Strapazen grüßte ich die applaudierenden Zuschauer, da es doch eine ziemliche Motivation für mich darstellte. Da: Km 41! Hervorragende 5:30 für 1.000 Meter. Super! Nun ging’s weiter bergab, rein nach Schmiedefeld. Ich konnte schon die Zuschauer im Ziel jubeln hören! Am Schild “42,195 Km” stehen 4:21:04 Stunden auf meiner Uhr. Aber genau an diesem Punkt beginnt der Aufstieg zum Stadion. Die letzten 900 Meter, mit rund 90 Höhenmetern, ansolviere ich in 6:08 Minuten und genieße die letzten Meter durch das phantastische Publikum. Die Zeit stoppt bei 4:27:10 Stunden! Ich fühle mich gigantisch! Einfach ein Traum!

Danach

Mir geht's gut !Zu meiner Überraschung stellte ich fest, daß es mir in den ersten Minuten nach dem Zieleinlauf erheblich besser ging als bei meinen ersten beiden Marathons. Ich machte einige Lockerungsübungen und trank Tee und Wasser. Dann hielt ich Ausschau nach meiner Frau. Nachdem wir uns gefunden hatten, lag noch ein längerer Fußweg vor mir, der mir aber keine Probleme bereitete. Mir ging es wirklich gut! Natürlich taten mir die Füße weh, aber es hielt sich wirklich in Grenzen. Erst nach einigen Stunden wurden meine Zehennägel sehr druckempfindlich. Das hatte sich aber schon am Sonntag wieder gelegt Wahrscheinlich wird in den nächsten Tagen der eine oder andere Zeh blau. Aber bei diesen Streckenverhältnissen ist das wahrscheinlich kaum zu vermeiden.

Phänomenal fand ich diesen “Tunnelblick”. Mir ist noch nicht klar, wie es dazu kam, daß mein Körper die Beschwerden ohne aktive Steuerung ausgeblendet hat. Das wird mich noch eine Weile beschäftigen. Das habe ich noch nie zuvor beobachten können.

Der Rennsteig-Marathon ist schon etwas Besonderes. Er stellt auch an einen “Marathoni” hohe Anforderungen. Die Strecke hat es wirklich in sich und  sie bingt nicht vorhersehbare Schwierigkeiten in sich. Ich habe auf eine ausführliche Darstellung der einzelnen Streckenabschnitte verzichtet. In der Hauptsache gab es: Matsch, Schotter, Wurzeln, etc. Höchstens 10 Km waren Asphalt oder ähnlich befestigte Wege.

Die Veranstalter haben eine tolle Organisation hingelegt und alle Helfer, Streckenposten und Polizisten haben ein dickes Lob verdient! Die organisatorischen Voraussetzungen um den Lauf zu “überstehen” sind gegeben. Die körperlichen Voraussetzungen muss jeder selbst schaffen...

p.s.: Es ist mir teilweise etwas schwer gefallen, bestimmte Ereignisse mit der entsprechenden Km-Angabe zu versehen. Falls mir hier ein Irrtum unterlaufen sein sollte: Was soll’s?