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Marathon der Deutschen Einheit 2005

 

2.10.2005 Marathon der Deutschen Einheit 51 Km mit 900 Höhenmeter

(“Einheitslauf”) in Mühlhausen / Thüringen

Vorher

Meine Vorbereitung auf meinen ersten “Ultra-Marathon” schien nicht schlecht gewesen zu sein. Den Berlin-Marathon von letzter Woche habe ich, trotz persönlicher Bestzeit, prima verkraftet und hatte keinerlei Probleme. Ich fühlte mich, als ob ich gar nicht in Berlin gelaufen wäre. Frisch, ausgeruht und motiviert! Ich bin bereits am Vortag angereist und habe mir im Stadion von Mühlhausen/Thüringen meine Startunterlagen geholt. Es hatten sich insgesamt 80 Starter gemeldet. Ich hatte mir 500 mehr gewünscht. Naja. Beim Studium des Streckenverlauf im Festzelt hatte ich die Gelegenheit, den Initiator des Laufs, Guido Kunze, kennenzulernen. Er war ausgesprochen hilfsbereit und beantwortete geduldig alle meine Fragen als “Frischling”. Er war auch guter Hoffnung, daß das Wetter morgen mitspielen würde. Es regnete nämlich gerade in Strömen. Die Strecke verlief auf sehr unterschiedlichem Untergrund. Von Asphalt über Schlammlöcher bis zu Wiese und Schotter war alles geboten. Die Anstiege lagen alle auf den ersten 42 Km. Zum Schluß sollte es “nur” noch bergab gehen. Ich schob mir abends wieder Spaghetti Carbonara mit Pizzabrot rein und schlief gut. Die Startzeit von 11:00 empfand ich als sehr angenehm. So kam keine Hektik auf. Ich war guter Dinge, daß ich den Lauf schaffen kann. Zunächst wollte ich unter 6:00 Stunden bleiben, nicht Letzter werden und zumindest auch die langsamste Frau schlagen. Realistisch fand ich die Marke von 5:45 Stunden und optimistisch schätzte ich 5:30 Std. ein. Aber: “Hauptsache ankommen” war die Devise bei meinem ersten “Ultra-Marathon”...

Der Lauf

Der Wettergott hatte ein Einsehen und es blieb zum Start trocken. Zuschauer hatten sich, abgesehen von ein paar Angehörigen, keine eingefunden. Damit wir uns nicht so alleine fühlen, starteten mit uns auch eine handvoll Walker und Läufer einer 12 Km - Runde. Punkt 11:00 Uhr ging es im Stadion “An der Aue” los. Wir drehten eine halbe Runde auf der Tartanbahn und dann ging es auf Spazierwegen mit einer leichten Steigung raus aus der Stadt..Impressionen von der Strecke bei Km 14
Mir (ganz rechts) geht's prima! Dankbar genoß ich den guten Untergrund, der sich bald verschlechtern würde. Es folgten etwa 2 - 3 Km auf einem Wanderweg durch den Wald und der Untergrund war einerseits nass und damit etwas rutschig, als auch uneben. Ich lief locker in einem Tempo von ca. 6 Min/Km. Schließlich hatte ich ja noch etwas vor. Bei so wenigen Teilnehmern ergab es sich von selbst, daß man immer die Nähe von anderen Läufern sucht. In einer kleinen Gruppe (siehe links) machten wir uns an den ersten Anstieg auf einem Schotterweg. Auf einem Höhenweg ging’s dann Richtung Kontrollpunkt. Wir liefen mit einem Chip am Handgelenk, der mit mobilen Geräten ausgelesen wurde. Die Helfer rannten immer ein Stück neben uns her und hielten das Lesegerät an den Chip. War ne’ lustige Sache! Für die ersten 9,6 Km und ca. 250 Höhenmeter brauchte ich 58:58 Min. Das war ok und wir stürzten uns wieder in den Wald um unsere Schuhe dem ersten Schlammbad zu unterziehen. Rennen war nicht möglich. Wir tippelten und sprangen durch den Matsch und über die Pfützen. Wenigstens gab es zwischendrin erholsame Bergabpassagen. Nach ca. 14 Km kamen wir aus dem Wald und wechselten für 2 Km auf einen geteerten Radweg. Bei den bisherigen 3 Verpflegungspunkten machte ich ausgiebig Rast, trank und aß Bananenstücke, Fruchtschnitten u.ä. Die Zeit nahm ich mir. Meine Mitläufer waren ausnahmslos erfahrene Ultra-Läufer. Fast jeder hatte schon mal die 100 Km von Biel absolviert. Ca. Km 21. Früher fuhren hier die Jeeps der NVA...Ich hörte Berichte vom Rennsteig-Supermarathon,  Swiss-Alpin-Marathon (K78), Fidelitas-Nacht-Lauf (80 Km) und so weiter. Ihr könnt euch denken, wie klein ich mir vorkam. Einmal hätte ich mich fast verlaufen. Zum Glück rief mir ein Zuschauer hinterher. Ich hatte die Markierung nicht gesehen. Es ging hinunter in einen Ort und gleich wieder raus. Nun kam ein Stück Schotterweg, der in eine Streuobstwiese überging. Hier hatte sich ein vor uns laufender Teilnehmer verirrt und wir schrieen ihn mit 5 Mann wieder auf den rechten Pfad zurück. Hoch über Treffurt machten wir an einem Aussichtspunkt halt und genossen für einen kurzen Augenblick die Aussicht über das Werratal. Nun ging es auf einem schmalen Pfad steil hinab auf einen Waldweg und dann weiter auf Betonplatten der ehemaligen Zonengrenze. Einmal hinauf und dann wieder ganz hinab. So hatten wir nach ca. 21 Km alle Höhenmeter wieder abgegeben. Bei mir war absolut alles im grünen Bereich. Ich trank viel und zog mir gelegentlich ein Squeezy rein. Null Problemo! Jetzt kam der (finde ich) heftigste Teil. Wir überquerten eine Landstrasse und dann ging’s zunächst steil auf Betonplatten (teilweise waren es Betongitter) den Berg hinauf (siehe Grafik). Da war zum Teil Gehen angesagt. Ich ging flott, aber nicht am Limit. Dabei überholte ich 2 Läufer. Oben angekommen liefen wir ein ziemlich langes Stück auf der Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Auf diesem Stück holte ich einen jungen Läufer ein, der von ziemlichen Wadenkrämpfen geplagt wurde. Er lehnte jedoch jede Hilfe ab und ich lief dem Wachturm entgegen, der aus der “alten Zeit” übrig gelassen wurde und die sicherlich markanteste Wegmarke des Lauf darstellt. Oben auf diesem Höhenweg wurde es etwas windig und ich begann leicht zu frösteln. Außerdem meckerten meine Waden ziemlich. Ich bekam einen Durchhänger. Zwar blieb ich nicht stehen und lief tapfer weiter. Aber meine Motivation war auf dem Tiefpunkt. Zum Glück schloss ich langsam aber sicher auf ein Päärchen auf und das hielt mich am Laufen.Noch nicht das Kurz vor der nächsten Verpflegungsstelle hatte ich sie eingeholt. Das baute mich dann doch wieder etwas auf. Zumal es nun auf einem relativ gutem Untergrund leicht bergab ging. Ich wurde von zwei Jungs überholt, die mir mitteilten, daß wir das Schild “Noch 20 Km” schon hinter uns gelassen hatten. Ich habe es nicht bemerkt. Wie so oft in den letzten letzten 2 Stunden konzentrierte ich mich immer und immer wieder darauf locker zu laufen: Arme parallel zum Körper und Zwerchfellatmung. In der Ferne sah ich wieder einen Leidensgenossen, zum dem ich den Abstand langsam, aber sicher verringern konnte. Nach etwa 10 Minuten hatte ich ihn. Er trug ein Finisher-Shirt vom Fidelitas-Lauf. Das baute mich dann wieder ein Stück auf. Es ging hinab nach Katharinenberg. Dort erwartete mich mein Dad mit einer Trinkflasche. Auf die Banane verzichtete ich, da ich bisher reichlich gegessen hatte. Nach 500 m war auch der nächste Verpflegungsstand. Meine Asics 1090 musste mich jetzt nur noch 16 Km weit tragen. Ich lag hervorragend in der Zeit und begann insgeheim zu hoffen eine Zeit von etwa 5:30 Std. zu erreichen. Aber dahin war noch ein weiter Weg und mit mir stand es nicht zum Besten. Es ging nun auf der Strasse durch eine Siedlung. Zuschauer? Fehlanzeige! Applaus? Nur an den Verpflegungsständen von den wirklich tollen Helfern! Egal. Laufen macht einsam. Hier zählt nur die eigene Leistung. Es ging natürlich wieder bergauf. Raus aus dem Ort, rein in die Maisfelder. Da liefen wieder zwei vor mir. Besser gesagt: sie gingen. Okay, ich ging auch. Es war ein kurzes Stück sehr steil. Aber dann legte ich los und kam, irgendwo im Maisfeld nach dem Abzweig nach rechts, an sie heran. Kurz vor’m überqueren einer Landstrasse habe ich sie überholt. Und schon sah’ ich den nächsten Läufer vor mir. Eines war mir spätestens jetzt klar: Letzter werde ich hier nicht! Es ging am Waldrand entlang und anschließend mittenrein. Und da kam sie auch: Die längste Schlammstrecke des gesamten Laufs! An kontrolliertes Laufen war nicht zu denken. Einmal blieb sogar mein linker Schuh im Schlamm stecken und ich hätte ihn beinahe verloren. Auch dieses Ungemach ging vorüber, aber den einen Läufer konnte ich nicht erwischen. Es spürte meinen heissen Atem und gab Gas. Nach ein paar hundert Metern Matsch kamen wir etwa bei Km 40 auf einen befestigten und gut zu laufenden Weg. Es ging leicht bergab und anschließend eine Steigung von rund 80Die letzten Meter meiner Höhenmetern wieder hinauf. Hier musste ich wieder gehen. Dabei habe ich ihn mir dann “geschnappt”. Wir wechselten ein paar Worte und ich zog vorbei. Auf der Anhöhe lag Km 42,2 und der letzte Kontrollpunkt. Bisher habe ich 4:25:00 Std. gebraucht und es lagen nur noch 9 Km vor mir. Ich stärkte mich am vorletzten Verpflegungspunkt mit Wasser und etwas Cola und dann gab ich Gas. Obwohl der Untergrund wieder Schotter war und ich Beschwerden im linken Knöchel bekam, legte ich los. Jetzt passierte etwas unglaubliches: Es begann mir immer besser zu gehen! Langsam aber stetig gab ich Gas. In der Ferne sah ich wieder zwei Läufer und nach etwa 1,5 Km waren sie hinter mir. Und ich machte weiter. Meine Zeiten lagen nun deutlich unter 6 Min/Km. Hinein in den Wald, wo der Weg etwas besser wurde. Und da holte ich mir auch schon den nächsten Kameraden. Ich lief wie im Rausch und war nicht aufzuhalten. Jetzt gab ich Alles. Mein Mann im Ohr flüsterte etwas von einer Endzeit um die 5:20 Stunden und ich gab fast alles. Etwa 5 Km vor dem Ziel holte ich den nächsten Läufer ein. Ich drehte mich mehrmals um, aber es war weit und breit keiner zu sehen der mir näher kam. Und so stürmte ich dem Ziel entgegen. Raus aus dem Wald, rein in die Stadt. Über den Spazierweg Richtung Stadion. Es konnten höchstens noch 3 Km sein. Arme parallel schwingen, nicht auf die Schmerzen im Fuß achten und Laufen, Laufen, Laufen... Schon aus der Ferne konnte ich das Stadion sehen. Zwar liefen etwa 500 Meter vor mir 2 Läufer, doch die konnte ich nicht mehr einholen. Ein Blick zurück: von dort drohte keine Gefahr. Keiner zu sehen. So stürmte ich dem Ziel entgegen. Rein in’s Stadion. Die paar Zuschauer klatschten artig und der Stadionsprecher verkündete meine Ankunft. Die Uhr zeigte 5:15:47 Stunden, als ich die Ziellinie überschritt. Auf den letzten Metern war ich nur noch am jubeln und hüpfen. Mehrfach reckte ich meine Fäuste nach oben. WAHNSINN!!! Im Ziel musste ich gegen die aufsteigenden Tränen kämpfen. Ich war total ergriffen. Dann erfuhr ich mein Ergebnis: Platz 35! Von den gestarteten 80 Läufern haben 76 das Ziel erreicht. Es war einfach sensationell. Ich humpelte zum Zelt, holte mein Finisher-Geschenk ab und begab mich dann in die Obhut von Katja, Katjas gigantische Massage... ;-)die meine Beine liebevoll massierte. Der Lauf war für mich ein großartiges Erlebnis und stellt alles bisher erlebte in den Schatten. Die Zeit spricht für sich. Offenbar habe ich noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht...

Danke an Guido Kunze und die vielen Helfer für die liebevoll organisierte Veranstaltung. Ihr habt das großartig gemacht!!!