|
25.9.2005 Berlin-Marathon 42,2 Km
Vorher
Da mein Vater am Samstag den Skater-Marathon mitlief, sind wir schon Freitag angereist. Am Samstag bummelte ich über die Marathon-Messe, erwarb ein Paar Asics Gel 1100 für 85,- € und lief anschließend
eine gemütliche Runde von ca. 4,5 Km im Grunewald. Ich fühlte mich bärenstark! Nachmittags feuerte ich meinen Dad an, der sich prächtig schlug. Am Abend schlug ich mir den Magen mit einer Minestrone, einem phantastischen
Pizzabrot und Spaghetti al Pesto voll. Ich fürchtete schon, ich hätte mich überfressen... Sonntag bestand mein Frühstück aus Toastbrot mit Honig und dazu gab’s
“Basica”-Getränk. Beim Verlassen der Wohnung hatte ich einen Puls von 100. So aufgeregt war ich! Da wir privat am Savignyplatz untergebracht waren, reichte es mir
gegen 7:45 Uhr in die S-Bahn zu steigen. Gegen 8:10 war ich schon im abgesperrten Bereich und schaute mich ein wenig um. Das “Warmlaufen” würde ich mir, von ein paar
Tippelschritten mal abgesehen, sparen. Natürlich hatte ich am Vortag und auch heute viel getrunken, sodaß ich ordentlich Druck auf die Blase bekam. Ein Blick auf die
Klohäuschen machte mir klar, daß ich mich in die Büsche schlagen musste. Nachdem ich die Kleiderwahl getroffen hatte, gab ich meine meine Tüte mit den frischen Sachen am gut
gekennzeichneten LKW ab. Es sah so aus, als würde es recht warm werden und ich wollte mit kurzem Shirt und kurzer Hose starten. Einige letzte Schlucke aus der Pulle und
ich ging Richtung Block “F” für die “unter 4 Stunden-Läufer”. Entgegen meiner Befürchtung war kein enges Gedränge und man konnte locker und bequem stehen. Etwa
10 Minuten vor dem Start ging ich nochmal raus um mich zu erleichtern. Jedes Gramm zählt!
Der Lauf
Meine Befürchtungen bezüglich eines Chaos beim Startschuß wurden nicht bestätigt. Trotz der Massen verlief der Start ohne jegliche Verzögerung und ich konnte sofort ohne
Störungen laufen. Natürlich war viel los, aber bis zum Ernst-Reuter-Platz ging es wirklich gut. Ich entschied mich bereits
nach etwa 1.500 Metern eine Pinkelpause einzulegen. Warum sich quälen? Mein Zeitplan, soweit man ihn so nennen konnte, sah vor, daß ich erst nach etwa 5 Km ernsthaft auf die Zeit schauen würde. Da die Behinderungen jedoch
ausblieben, lief ich einfach locker und strebte ein Tempo von etwas unter 6 Min/Km an. Allerdings merkte ich schnell, daß
ich wirklich gut drauf war. Nach jeder Km-Markierung bremste ich mich etwas, da ich Zeiten zw. 5:30 und 5:40 lief. Trotz der erwähnten Pinkelpause hatte ich die ersten 5 Km nach 28:32 Min. absolviert. Wow! Ich konnte mich einfach
nicht gegen das “schnelle” Tempo wehren. Es lief wirklich wie von selbst. Bei jedem Verpflegungsstand griff ich beim Wasser zu. Ich hatte an Eigenverpflegung nur 4 Squeezy und 4 “Handgranaten” mit
“Maxin” im Gürtel. Das würde niemals reichen. Trotz dieser Stopps litten meine Km-Zeiten nicht. Ich spulte die Strecke wie eine Maschine ab. Beispiel: Meine Zeiten zw. Km 5 und 16 lagen ohne
Ausnahme zwischen 5:32 und 5:40. Ich bin noch nie in meinem Leben in einem solch großen Teilnehmerfeld gelaufen und musste nun feststellen, daß das eine hervorragende Ablenkung ist. Ich war
permanent beschäftigt. So flogen die Kilometer einfach vorbei. Da es sich ja heute “nur” um einen “Trainingslauf” handelt (nächste Woche steht ja mein erster Ultra-Marathon an...), nahm ich immer
wieder das Tempo etwas zurück. Natürlich war mir längst klar, daß ich auf eine Zeit unter 4 Std. zusteuerte. Wie schwer mir das “bremsen” viel, Zeiten meine 5-Km-Zeiten bis Km 20: 28:32,
28:06, 27:54, 27:43. Ich wurde also immer schneller. Den Halbmarathon hatte ich bei 1:58:26 absolviert, wobei ich schon nach 20 Km das Tempo deutlich zurücknahm. Nach etwa 20,5 Km
bekam ich von meinen Unterstützern eine Flasche mit “Basica” und eine Banane gereicht. Mir ging es beängstigend gut. Natürlich machten sich jetzt langsam die Waden bemerkbar. Aber es war
noch kein Schmerz, sondern ein Gefühl, wie ich es von meinen wöchentlichen Longjogs her gut kenne. Zugegeben, ich
hatte während des Laufens kaum einen Blick für Berlin. Ich las hie und da ein paar der Anfeuerungsschilder (“Papa ist der
beste Mann, der Alle überholen kann”), hörte die Anfeuerungsrufe und nahm die Musik wahr, die live gespielt oder aus
der Konserve kam. Das reichte mir aber auch. Meine Konzentration galt ganz mir. Meinem Körper und meinem Tempo. Jenseits des Halbmarathons begann das langsame Sterben der Neulinge und der Selbstüberschätzer. Der Läuferstrom
begann sich zu teilen. Hier diejenigen, die jetzt etwas aufdrehten, dort diejenigen, die ihren “Stiefel” liefen und
zwischendrin die armen Schweine, deren Kräfte deutlich nachließen. Nach rund 25 Km nahm das stellenweise solche
Ausmaße an, daß die nachfolgenden Läufer doch erheblich behindert wurden. Bis zum Ziel sollte es auch nicht besser
werden. Meine Zeiten wurden auch geringfügig langsamer, jedoch vor allem deshalb, weil ich bei den Getränkeständen
jetzt 2x zugriff. Erst einen Becher leeren und dann mit dem zweiten in der Hand wieder lostraben. Mittlerweile hatte ich
ein komfortables Polster auf die 4 Stunden herausgelaufen und nahm alles sehr locker. Der Abschnitt zwischen 25 und 30
Km war auch mit 28:26 Min. mein langsamster (abgesehen von den ersten 5 Km) im ganzen Verlauf. Zwar nahmen die
Störungen an den Waden etwas zu, aber es war noch im grünen Bereich. Mittlerweile hatte ich 3 Squeezys weggeputzt
und mein Magen hatte keine Einwände. Die letzen 10 Km wurden dann doch etwas härter, was aber auch auf die warme
Witterung und die Sonne zurückzuführen ist. Da ich aber das Gefühl hatte, daß es mir besser als den meisten um mich
herum geht, war alles ok. Ich achtete sehr darauf, eine ökonomische Haltung beim Laufen einzunehmen und nicht in einen “Schlapp-Schritt” zu verfallen. Der bisherige Rennverlauf tat meinem Selbstbewußtsein sehr gut. Ich hatte das Gefühl,
bisher Alles richtig gemacht zu haben. Allerdings mußte ich auch an nächsten Sonntag denken. Der Gedanke an 51 Km und 900 Höhenmeter schüchterte mich dann doch wieder etwas ein. Also
lenkte ich meine Gedanken wieder auf positive Dinge. Da gab es z.B. sehr nette Läuferinnen und Zuschauerinnen, die sich gerne einem “Blitz-Flirt” hingaben. Etwa bei Km 31 sah ich einen ziemlich
fertigen Läufer vom SV Kasing, aus einer Nachbargemeinde. Ich versuchte ihn aufzumuntern, aber er hatte offenbar größere Probleme. Nun, ich lief weiterhin konstante Zeiten, trank fleißig und
feierte mich schon ein wenig selbst. Die Markierung “35 Km” hatte ich nach 3:17:05 passiert und damit konnte nix mehr passieren. Selbst mit Zeiten von rund 6 Min. pro Km wäre ich noch unter 4 Stunden
geblieben. Nach Km 36 bekam ich wieder Flasche und Banane gereicht und Michi machte ein Foto. Nun ging’s mit jetzt langsam schmerzenden Waden dem Ziel entgegen. Ja, ich war nicht mehr ganz
locker und wollte endlich im Ziel sein. Ich geb’s zu: So hart im Nehmen bin ich auch nicht. Aber: Alle hatten hier zu kämpfen und vielen ging es schlechter als mir. Nach 40 Km zeigte die Uhr 3:45:22 und ich wollte es jetzt
endlich hinter mich gebracht haben. Das Brandenburger Tor erschien zunächst wie eine Erlösung vor mir. Aber warum war dieses Ding sooo weit weg von mir? Scheiße! Ich biss auf die Zähne und zog etwas das Tempo an. Schwupps
durchs Tor durch und über die Ziellinie. JA! 3:58:02!!! Gigantisch!
Danach
Natürlich war ich jetzt fertig. Mir ging es aber um Längen besser als bei meinen 3 bisherigen Marathons. Und genau DAS
hatte ich erhofft. Das ist das Zeichen für mich, daß mein erster Ultra-Marathon kommen kann. Ich nahm dankbar meine
Medallie entgegen, trank gierig das Wasser und den Tee, verschlang Bananen und spuckte das widerliche Isostar wieder
aus. Ekelhaft! Geduldig wartete ich eine halbe Stunde auf meine Massage und stellte dabei immer wieder erstaunt fest,
wie wenig ich gelitten habe. Nachdem ich mir in Ruhe meine trockenen Sachen übergestreift hatte, zog ich strahlend und
zufrieden ab. Am Tag danach hatte ich fast keine Probleme in den Beinen. Trotzdem unterzog ich mich einer ausgiebigen Massage und lief anschließen noch etwa 4,5 Km ganz locker.
Ich muß abschließend dem Veranstalter vom Berlin-Marathon ein dickes Kompliment machen. Auch wenn es unmöglich
ist, es 35.000 Starter recht zu machen, der Berlin-Marathon 2005 war besser organisiert, als ich es für möglich gehalten hatte. Vielen Dank dafür!
|